Der See war zugefroren und das Eis glitzerte im Vollmond wie tausende von kleinen Sternen.

Der kleine Junge saß am Ufer, er spürte die Kälte nicht, noch sah er den kalten Nebel, der sich über der Eisfläche gebildet hatte. Er dachte an seine Eltern, und eine kleine Träne rollte über seine Wange, tropfte als Eiskristall auf den Schnee und verschwand in der weichen Schneedecke.

Ja, es war wieder Weihnachten! Das zweite Weihnachtsfest, das er mit seinen Großeltern feiern musste, ohne seine Eltern.
Vor zwei Jahren, war er gemeinsam mit den Eltern in den Bergen. Der Weihnachtsbaum war festlich geschmückt und die Geschenke warteten darauf ausgepackt zu werden.

Ein leichtes Donnern erfüllte die Luft und dann kam mit einer ungeheuren Wucht jene Lawine und riss alles mit sich fort. Die Erinnerung kam zurück, als wäre es gestern gewesen.

Nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, konnte er sich unter dem Weihnachtsbaum befreien. Der Tannenbaum war auf ihn gefallen und hatte ihn vor den Schneemassen geschützt.  Bergwanderer hatten ihn gefunden, sich um ihn gekümmert und ihn schließlich zu  seinen Großeltern gebracht.

Seine Eltern aber waren seit jener Zeit verschwunden. Nichts hatte er von ihnen gehört.  Zwei lange Jahre schon sorgten die Großeltern für ihn und es fehlte ihm an nichts, nur seine Eltern vermisste er so sehr und wie immer war es an Weihnachten besonders schlimm. Traurig sah er hinauf zum Himmel.

„Wenn es Dich gibt liebes Christkind“, dachte er, „dann habe ich nur einen Wunsch an Dich, „ -lass mich wissen, dass es meinen Eltern gut geht.“ Traurig sah er hinaus auf den See, sah wie der weiße Nebel dichter und dichter wurde und sich ihm immer mehr näherte.

Sanft, wie eine zärtliche, weiche Hand, spürte er eine Berührung auf seiner Schulter, drehte sich um, und da stand er, weiß wie der Nebel und doch eine Wärme ausstrahlend und von einem hellen Licht durchflutet.


„Wer bist Du?“ fragte der Junge erstaunt. Ein sanftes Lächeln ging von jenem Wesen aus, als es sprach:

„Du hast mich gerufen, ich komme von dort oben, wo die Sterne zu Hause sind. Dort lebt das Christkind. Jeder Mensch hat dort oben einen Engel, der auf ihn achtet, und so habe ich den Weihnachtsbaum auf Dich geworfen, als die Lawine kam.“

„… und meine Eltern? Hatten die keinen Engel, der sie beschützte?“ sagte der Junge traurig.

Wieder lächelte jenes Wesen, hob die Hände und streckte sie zum Himmel. Eine Sternschnuppe kam aus den Weiten der Sterne, flog hernieder zur Erde und es war, als verschwand sie direkt in der Hand des Engels.
Das Wesen öffnete die Hand und golden leuchtete darin ein Sternchen. „Es ist ein kleiner Teil des Sternes, den die Menschen den Stern der Hoffnung nennen“ sprach der Engel. „Nur für Dich ist er vom Himmel gefallen, um Dir Hoffnung zu bringen.“ Er nahm den Stern und legte ihn dem kleinen Jungen in die Hand. Ein sanfter Wind erfasste das Wesen und wie der Nebel löste es sich auf und verschwand.

Der Stern fühlte sich warm an in seiner Hand und der Junge stapfte durch den Schnee zum Haus der Großeltern. Sachte legte er den Stern auf die Fensterbank in seinem Zimmer und begab sich in die gute Stube, in der seine Großeltern schon auf ihn warteten. Wie immer hatten sie sich alle Mühe gegeben, aber all die schönen Geschenke erinnerten ihn nur an den Weihnachtstag, an dem er seine Eltern verloren hatte.

Müde ging er zu Bett, sah noch einmal zu dem kleinen leuchtenden Stern und schlief traurig ein. Als er um Mitternacht erwachte, war der Stern verschwunden und er glaubte das alles nur geträumt zu haben. Er ging zur Fensterbank, wischte vorsichtig mit der Hand darüber, aber da war kein Stern. „Die Hoffnung“ , dachte er, „ja die Hoffnung, meine Eltern wieder zu sehen, habe ich lange Zeit nicht aufgegeben, aber im Laufe der Jahre wurde sie immer geringer.“ Der Stern aber blieb verschwunden. Immer mehr glaubte er, dass dies alles nur ein schöner Traum war.

Und so kam der zweite Weihnachtstag….   

Sie saßen gerade beim Essen, als es an die Türe klopfte, zögerlich und leise. Er ging zur Türe und öffnete.

„Papa, Mama, ich habe euch ja so sehr vermisst!“ rief er freudig.

„Wir haben nie aufgegeben nach Dir zu suchen, erst in der Lawine, dann in allen Krankenhäusern der Umgebung, bei allen Nachbarn, in allen Waisenhäusern, Tag für Tag. Wir brachten nicht den Mut auf, Deinen Großeltern gegenüber zu treten und von dem Unglück zu erzählen, Ihnen zu sagen, dass ihr geliebtes Enkelkind in der Lawine vermisst wird. Doch jetzt, als wir wieder einmal sehr traurig Weihnachten feiern wollten, erschien am Weihnachtsbaum jener kleine Stern. Es war als würde er uns zuzwinkern. Er gab uns neue Hoffnung, und so sind wir zu den Großeltern nach Hause gefahren, mit dem Mut,  ihnen von unserem Schicksal zu berichten und ihnen auch dieses Stück Hoffnung zu bringen, welche von dem kleinen Stern ausgeht.“

Der Junge lächelte, dachte an das Lächeln jenes Engels, schaute hoch zum Himmel, und es war als würde ihm weit entfernt ein Stern zuzwinkern, der Stern der Hoffnung, der in jeder Weihnachtsnacht vielen verzweifelten und traurigen Menschen wieder Hoffnung bescheren würde.

Seit jener Zeit hängt immer ein kleiner Stern am Weihnachtsbaum und bringt mit seinem Glanz jedes Jahr aufs Neue Freude und Hoffnung in die Familie des Jungen, der inzwischen erwachen ist, aber nie vergessen hat an Weihnachten seinen Kindern diese wundersame Geschichte zu erzählen.

…. und dann geht er hinaus und blickt zu den Sternen, denkt an den Engel und Dankbarkeit erfüllt sein Herz und der Stern der Hoffnung leuchtet an diesem Tag heller und schöner, als an allen anderen Tagen.